"Rundtruhe in Stil des 18ten Jahrhunderts"




Hier ist Platz für dies und das rund ums Hobby, von der Vermählung bis zur Gebrauchtwaffe.

"Rundtruhe in Stil des 18ten Jahrhunderts"

Beitragvon Lederstrumpf » Di 28. Jul 2015, 09:55

Hallo Leute,

aus der Reihe "Geschichten aus Lederstrumpfs Bastelkeller" biete ich Euch heute an: "Rundtruhe in Stil des 18ten Jahrhunderts".

Entstanden ist die Idee aus dem Erlebnis heraus, dass beim letzten Reenactment einige Herrschaften zum Reinigen Ihrer Büchsen/Musketen den Plastikkoffer mit den Ölspraydosen auspackten. Das geht ja gar nicht!
Man stelle sich vor, da laufen Besucher durchs Lager und es wird geputzt wie 2015 und nicht wie 1770. Der ganze Eindruck für die Besucher und der eigene Anspruch auf Authentizität – alles futsch.
So was kommt für mich nicht in Frage. Aber zum Putzen der Waffen berichte ich noch mal gesondert. Es geht hier nur um das Behältnis für die Putz- und Wartungsutensilien. Etwas Geeignetes mit der richtigen Größe und Form fand sich weder in meinem Fundus noch unter den reichhaltigen Angeboten bei Ebay. Also habe ich mich entschieden, die Kiste selbst zu machen. Von der Größe her hätte ungefähr eine Magnum-Sektflasche reinpassen sollen.

Im historischen Museum in Berlin sah ich eine große, runde, lederbespannte Truhe und die Form fand ich irgendwie ansprechend. Die sollte es sein, schließlich Außerdem hatte ich schon jede Menge eckige Truhen und Kisten gebaut, eine runde (eher trommelförmige) Truhe ist doch auch mal eine Herausforderung.

Im Internet fand ich eine schöne Vorlage. Diese Truhe wollte ich nachbauen, in der richtigen Größe. Das ist das Original:
Rundtruhe_original.jpg


Hier nun die einzelnen Schritte zur Herstellung (Nachbauen durchaus erwünscht, wenn Euch noch Informationen fehlen, fragt einfach nach):

1. Zeichnung machen. Während ich Länge willkürlich festlegte, hatte ich eine Zeichnung angefertigt im Maßstab 1:1 und darauf den Winkel der einzelnen Leisten berechnet. Ich wollte die Kiste aus massivem Holz bauen, wie seinerzeit auch. Das Innere sollte unbekleidet bleiben, deshalb ist es wichtig, dass man im Inneren kein Sperrholz oder ähnliches modernes Zeugs sieht. Ich wählte Fichtenholzleisten von 13 mm Dicke. Hier ist die Zeichnung:
Truhe1.png
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von Anzeige » Di 28. Jul 2015, 09:55

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Re: "Rundtruhe in Stil des 18ten Jahrhunderts"

Beitragvon Lederstrumpf » Di 28. Jul 2015, 10:01

2. Als nächstes wurden die beiden Seitenteile und die Leisten mit dem entsprechenden Winkel auf der Kreissäge zugesägt und anschließend verleimt und zusammen genagelt. Der Boden besteht nun doch aus Sperrholz, sieht man nachher aber nicht mehr:
1_Bretter_Rundtruhe.jpg

2_Korpus_Rundtruhe.jpg

3_Deckel_Rundtruhe.jpg


3. Die Bilder zeigen Korpus und Deckel fertig montiert und 2. grob geschliffen und Korpus bereits außen gespachtelt. Anschließend geht's an den Feinschliff und dann ans "beledern".
4_Komplett.jpg

5_geschliffen.jpg
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Re: "Rundtruhe in Stil des 18ten Jahrhunderts"

Beitragvon Lederstrumpf » Di 28. Jul 2015, 10:09

4. Die Truhe ist jetzt fein geschliffen und innen mit der 1. Schicht Bootslack versehen, zwei Schichten folgen noch. Außen ebenso, bevor das Ganze mit feinstem Ziegenleder bespannt wird. Das Leder sieht man auf den Bilden schon unter der Truhe liegen:
6_Feinschliff.jpg

7_Bootslack.jpg


5. Der Korpus ist mit Leder bespannt während der Deckel zunächst nur das Lederschürzchen bekommen hat, dass als Feuchtigkeitsschutz den Korpus überlappen soll. Auf den Bildern seht Ihr auch den vorgesehenen Handgriff aus Messing und eine "Nagelprobe" mit einem Messingnagel:
9_Leder2.jpg


6. Nun ist auch der Deckel mit Leder bezogen und die Grundplatte des Handgriffs der Wölbung des Deckels angepasst:
11_Leder4.jpg
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Re: "Rundtruhe in Stil des 18ten Jahrhunderts"

Beitragvon Lederstrumpf » Di 28. Jul 2015, 10:16

7. Statt der außen liegenden Scharniere hatte ich mich nun für Verdeckte entschieden. Das ist etwas "tricki", da man nur einmal die Bohrungen für die Schraubenlöcher machen kann. Einstellen kann man so ein Scharnier nicht. Das muss auf Anhieb sitzen. Ist bei der runden Truhe doch mehr Herausforderung gewesen, als bei einer eckigen Truhe. Aber jetzt passt es so ganz gut. Außerdem habe ich den Griff montiert und den nicht sichtbaren, unteren Teil der Lederbespannung mit flachen Eisennägeln beschlagen. Das sieht man so auch an der originalen Vorlage. Die Überlappung des Deckelleders funktioniert noch nicht so gut, da muss ich mir noch was einfallen lassen.
12_Scharnier1.jpg

13_Scharnier2.jpg

14_Griff.jpg

15_Nägel1.jpg

16_Nägel2.jpg


Die Verwendung von Schrauben stellt übrigens einen Anachronismus da, weil Schrauben im 18ten Jahrhundert noch nicht maschinell hergestellt wurden. Das Gewinde einer Schraube wurde von Hand gefeilt und Schrauben waren dementsprechend kostbar. Seinerzeit wurde genagelt. Dass ich hier Schrauben verwende, ist ein Zugeständnis an eine möglichst gute Verbindung. Und durchgehende Nägel möchte ich nicht verwenden, da diese seinerzeit innen umgeschlagen wurden, und das würde innen unschön aussehen, weil das Innenleben ja roh bleiben soll und nicht verkleidet wird. Die Benagelung selbst ist bewusst unregelmäßig ausgeführt, es soll ja der Charakter einer soliden handwerklichen Arbeit erkennbar sein und kein maschineller Perfektionismus.

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Re: "Rundtruhe in Stil des 18ten Jahrhunderts"

Beitragvon Lederstrumpf » Di 28. Jul 2015, 10:26

8. Die Benagelung ist nun abgeschlossen. Unten hat die Truhe spezielle Nägel als Füßchen bekommen. Nun geht es an den Verschluss. Da es nichts brauchbares auf dem Markt gibt, heißt es also: selber machen. Das doch recht anspruchsvoll zu fertigende Scharnier habe ich schon fertig, vielleicht die Schlitze etwas großzügig ausgesägt, aber was soll's. Das Ganze ist aus Messingblech gefertigt und als Überfalle konstruiert. Das heißt, der "fallende" Verschluss bekommt einen Schlitz, der sich über eine Messingöse schiebt, durch die dann ein Vorhängeschloss angebracht werden kann. Wenn man die Kiste denn verschließen will, ansonsten verhindert ein passendes Hölzchen das versehentliche Öffnen. Das Original hat eine Art Kofferverschluss mit einrastender Überfalle, die mit einem Schlüssel verschlossen werden kann. So etwas in geschmiedeter Form zu finden, gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Sollte ich so ein Originalstück mal in die Hände bekommen, kann ich es vielleicht nachbauen. Bis dahin bleibt's bei der Überfalle, sieht auch hübsch aus und ist ebenfalls zeitgemäß.
18_Verschluss1.jpg

19_Verschluss2.jpg

20_Verschluss3.jpg

21_Verschluss4a.jpg


.
Für die nächste Fortsetzung müsst Ihr Euch bis nächste Woche gedulden. Ich bin noch an der Inneneinrichtung und muss noch einige Bilder schießen.
Aber erst mal fahre ich Mittwoch bis Sonntag zu einer Veranstaltung, die eher ein bisschen einer Zeitreise ins 19te Jahrhundert entspricht.

Bis dahin und immer schön dass Holz trocken halten

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Re: "Rundtruhe in Stil des 18ten Jahrhunderts"

Beitragvon Christoph » Di 28. Jul 2015, 15:26

Hast du mal überlegt deine Oberflächenbehandlung mit Leinöl zu machen statt mit Lack?
Oder mit Schelllack, statt mit einem Kunstlack?
Öl lässt sich hervorragend verarbeiten und leicht nachbessern. Schellack finde ich nicht so prall, da er Feuchte-empfindlich ist.
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Re: "Rundtruhe in Stil des 18ten Jahrhunderts"

Beitragvon Lederstrumpf » Di 28. Jul 2015, 17:16

Albert, Danke fürs Lob. Es macht mir Freude hier was einzustellen, solange es Euch gefällt und die Rückmeldungen sachlich bleiben.

Christoph: habe ich überlegt. Ich habe auch schon viel mit Leinöl gemacht. Entscheidender Nachteil sind die Trocknungszeiten und hier in diesem Fall entschied ich mich aber für Bootslack, weil das Holz unter dem Leder feuchtigkeitsrestistent sein soll und das Innenleben eventuell mit Waffenöl in Berührung kommt und ich will nicht, dass das Holz sich damit vollsaugt. Das Trühchen soll ja Reinigungs und Pflegeutensilien aufnehmen und man weiß ja nie, wie mal was ausläuft.
Ja, ich nehme Authentizität sehr ernst, wähle aber aus praktischen Erwägungen heraus manchmal moderne Materialien. Es soll halt nicht so offensichtlich sein. Bootslack sieht irgendwann so aus wie zeitgemäßer Schellack. Was mich mehr stört sind die Schrauben, die sieht man halt sofort. Gut, es sind Schlitzschrauben und nicht die grauslichen Spax, die im Hobby nun gar nichts verloren haben.
Aber lieber wären mir Nägel gewesen.
Das soll jetzt aber keine A-Diskussion werden, ich schreibe die Dinge halt so nieder, wie sie mir in den Sinn kommen und freue mich immer über sachliche Einwände und Fragen, so wie Deine, Christoph.

Nächste Woche also der Abschluss und ansonsten ist das kleine Ding in Fulda dabei. Gerne zeige ich es Euch dann dort im Original.

Grüße

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Re: "Rundtruhe in Stil des 18ten Jahrhunderts"

Beitragvon Christoph » Di 28. Jul 2015, 20:49

Wenn du die Poren mit Leinöl verschlossen hast zieht das Holz kein Öl mehr ein.
Was die Feuchte betrifft, evtl. wäre es sogar besser dem Holz die Gelegenheit zu geben in beide Richtungen Wasser abzugeben.
Ich hab gelernt, dass Oberflächenbehandlungen auf beiden Seiten gleich sein sollen um zu vermeiden, dass das Holz sich wirft.
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Re: "Rundtruhe in Stil des 18ten Jahrhunderts"

Beitragvon Pat » Di 28. Jul 2015, 21:40

Lederstrumpf hat geschrieben: Entscheidender Nachteil sind die Trocknungszeiten.....


Ich bring mal meine 5 Cent dazu ein. Wenn ich Holz mit Leinenöl behandle dann mach ich es mir einfach, ich nehme mir die Zeit dazu. Hinterher dankt das Werkstück mir durch Langlebigkeit! Ich tränke einen Lappen und massiere das Leinenöl ins Holz ein. Überschüssiges Leinenöl wische ich ab. Das Wiederhole ich so viele Tage hintereinander bis das Holz kein Leinenöl mehr aufnehmen kann. Tadaaaaaaaaaaaaaaaaa...beste Imprägnierung der Welt, schöner warmer Ton des Holzes. Ich arbeite am liebsten mit Lärchenholz, gerade fürs Hobby, das ist schon mit einem Natürlichen Wetterschutz versehen. Warum weiß ich nicht, aber Lärche ist Witterungsbeständiger als andere Holzsorten.

Gruß Pat
Profoß der North West Company
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Re: "Rundtruhe in Stil des 18ten Jahrhunderts"

Beitragvon Ike Godsey » Fr 31. Jul 2015, 11:57

Also mir gefällt das sehr gut das kleine runde Ding.... ;)
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