The Musket Question




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The Musket Question

Beitragvon Ike Godsey » Do 4. Dez 2014, 08:23

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The Musket Question
by Ike Godsey

Teil 1

In der 18. Jahrhundert Szene hier in Deutschland wird immer wieder darüber viel spekuliert, ob nun diese oder jene Muskete die richtige sei… …ihr kennt das sicher.
Nun, speziell wenn es um Nordamerika geht, sind sich viele uneins was es gab und was nicht. Mal abgesehen davon, ob und wenn je, der einzelne Emigrant von Zuhause eine Muskete mitgebracht hat. So gab es Waffenlieferungen in größeren und kleineren Mengen, aus aller Herren Länder der damals bekannten Welt. Nun sehen wir uns mal die Fakten ein wenig genauer an. Beginnen wir mit den Briten und den britischen Kolonien in Nordamerika.

In der Zeit vor dem für die meisten Reenactors so bekanntem French & Indian War 1754 – 1763, um den es hier in erster Linie gehen soll, gab es schon viele weitere Kriege die zwischen Weißen und Indianern ausgetragen wurden. Ich habe hier mal eine Zusammenfassung eingebunden, beginnend mit dem ersten Krieg aus der Reihe der sog. French & Indian Wars, dem King Williams War bis ca. 1800.

1689–1697 King William’s War (Franzosen- und Indianerkriege 1)
Oktober 1698 † Tod des Penobscot-Sagamore Madockawando
1702–1713 Queen Anne's War (Franzosen- und Indianerkriege 2)
25./26. Januar 1704 Apalachee Massaker
1711–1715 Tuscarora-Krieg
1712–1716 Erster Foxkrieg
1715–1717 Yamasee-Krieg
1716 Erster Natchez-Krieg
1722 Zweiter Natchez-Krieg
1722–1727 Dummers Krieg
1723 Dritter Natchez-Krieg
1728–1733 Zweiter Foxkrieg
1729 Natchez-Aufstand
26. Mai 1736 Schlacht von Ackia
1744–1748 King George’s War (Franzosen- und Indianerkriege 3)
1754–1763 Franzosen- und Indianerkrieg (Franzosen- und Indianerkriege 4)
8. September 1756 Zerstörung von Kittanning
8. Oktober 1758 Vertrag von Easton
24. Juli 1759 Schlacht bei La Belle Famille
1763–1766 Pontiac-Aufstand
22. Juni 1763 Beginn der Belagerung von Fort Pitt
7. Oktober 1763 Königliche Proklamation von 1763
5. November 1768 Vertrag von Fort Stanwix
10. Oktober 1774 Schlacht von Point Pleasant
19. April 1775 Beginn des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges
1776–1794 Chickamauga-Kriege
17. September 1778 Vertrag von Fort Pitt
8. März 1782 Gnadenhütten-Massaker
3. September 1783 Ende des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges
??. Oktober 1784 Vertrag von Fort Stanwix
1785–1795 Nordwestlicher Indianerkrieg
4. November 1791 Schlacht am Wabash River
20. August 1794 Schlacht von Fallen Timbers

Musketen in den britischen Kolonien

Es war schon immer die Praxis des englischen Königs, die neueste Ausrüstung im Mutterland zu haben und ältere, gebrauchte, teilweise erneuerte (heue würde man „refurbished“ sagen) an die Kolonien in aller Welt zu senden. Nordamerika war da keine Ausnahme.

So fand sich im 17. und 18. Jahrhundert in Nordamerika alles, was den Zeughäusern Europas im Wege war, wenn es darum ging neuere Waffen und Ausrüstung einzulagern. Im King Williams War war das ein Sammelsurium an Rad- und Schnapphahnschlosswaffen, sowie das zu der Zeit in England vorherrschende „Doglock“.

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Beispiel einer britischen Doglock Muskete. Damals war es üblich sog. „Plug Banjonetts“ zu verwenden. Also eine Klinge die über einen konischen Griff verfügte, der in die Mündung der Muskete gesteckt wurde. Daher konnte man diese Musketen bis zur Mündung einschäften. Musketen bei welche der Schaft zurück geschnitten ist (Bild oben) sind für den Gebrauch von Tüllenbajonette abgeändert worden – ein Zeichen für die lange Verwendung dieser Waffen.


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Doglock Muskete des Königs George I. – 42“ Lauf im Kal. .75. Das Schloss ist gekennzeichnet mit „R. WOLLDRIDGE“ und 1716. Interessant ist, dass King George I. immer noch Doglocks fertigen lies, obwohl schon unter Queen Anne das Steinschloss (ohne Dog) Einzug hielt.

Für den Handel mit den Indianern wurden natürlich auch Doglock Musketen hergestellt. Hier ein Beispiel einer englischen Doglock Trade Gun:


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Und natürlich wurden „Dogs“ auch von den in den nordamerikanischen Kolonien ansässigen Büchsenmachern gebaut:

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Man beachte hier die Linienführung des Kolbens, welcher eindeutig auf französische Musketen zurückführt.


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Eine Replik einer Queen Anne Doglock Muskete eines unbekannten Herstellers.

Ein weiteres Exemplar (nächste Seite) einer „Dog“ – interessant ist, dass keine Kolbenplatte verbaut wurde. Das Kaliber dieser Muskete ist .80! Man beachte das Schloss! Es hat eine Pfanne mit „Bridle“ einem „Arm“ von der Pfanne zur Schraube der Batterie. Ein für diese frühe Zeit eher unübliches Merkmal.

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Im Jahre 1702 bestieg die Tochter von König Jacob II/VII von England-Schottland, Anne, den englischen Thron. Sie regierte ab 1707 in Personalunion über England, Schottland, Wales und Irland und war somit die erste Monarchin Großbritanniens. In ihre Amtszeit fiel der „Queen Annes War“ – der zweite der sog. „Franzosen und Indianerkirege“ 1702 – 1713, sowie die Invasion und der Jacobiten Aufstand ihres Halbbruders James Francis Edward Stuart in den schottischen Highlands.

In ihre Amtszeit fiel auch die Entwicklung der Muskete, die weit über 100 Jahre lang das Rückgrat der britischen Armee sein sollte.
Die ersten Muster der neuen „Land Musket“ war eine Waffe die es so noch nicht gab. Die Linienführung war eher grazil im Vergleich zu den vorherigen Machtlock und Doglock Musketen. Sie hatte Verscheidungen um das Bananenförmige Steinschloss und auch auf der Gegenseite. Der Lauf im Kal. .75 war 46“ lang und verjüngte sich zur Mündung hin. Das Steinschloss selbst war von französischer Bauart* (man nannte das damals so, da die Franzosen führend in der Entwicklung von Steinschlossen auf dem Kontinent waren) und trug eine gravierte Doppellinie um die Kanten, sowie die üblichen Markierungen Krone über GR (der Zufall wollte es, dass die ersten Long Land Musketen erst nach der Amtsübernahme von König George I. fertig gestellt wurden) sowie den Herstellernamen und die Jahreszahl hinter dem Hammer. Alle Beschlagteile der Muskete waren aus geschmiedetem und poliertem Eisen, was in Verbindung mit dem dunklen Nußbaumschaft ein sehr ansprechendes Äußeres ergab.

*Natürlich führte zu diesem Steinschloss ein langer Entwicklungsweg hin, auch und vor allem in England. Ich will euch aber hier nicht mit all den Varianten langweilen die es seit 1690 gab.

Es wird heute allgemein angenommen, dass es 1716 war, als die ersten dieser Long Land Pattern Musketen gefertigt wurden. Es sind LLPs bekannt die mit Eisenbeschlägen und single bridled lock gefertigt wurden. Diese Schlosse sind mit DUBLIN CASTLE und 1724 markiert.

Der offizielle Übergang von der „Queen Anne Musket“ zur „Long Land Pattern“ war 1728. In 1730 wurde dann allmählich von Eisen auf Messing Beschläge umgestellt.

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Allerdings ist die hier abgebildete Waffe bereits mit einem vorderem Schaftabschluss modifiziert worden. Diese Änderung begann 1737 Einzug zu halten.

Die 1730er Version verfügte über ein sog. „single bridled lock“. Also ein Schloss mit „einfacher Verstärkung“ wenn man so will. Die „bridle“ war in diesem Fall der Studel, der im Schloß über die Nuss geschraubt wird und so als Gegenlager der Hammerachse dient. Außen, von der Pfanne zur Batterie gab es noch keine „bridle“.

Doch bereits um 1740 sollte sich das ändern. Man begann zwei Neuerungen einzuführen. Zum einen, das sog. „double bridled lock“ – also ein Steinschloss, dass jetzt auch außen über eine „bridle“ zur Batterie hin verfügte. Die andere war die schrittweise Aufgabe der Schnitzereien um das Schloss. Diese sind zwar ab und an auch noch an Long Land Pattern Musketen späteren Baujahrs zu finden, was aber an der Art und Weise lag, wie diese Musketen damals gefertigt wurden. Hier eine Abbildung des 1740er double bridled lock:

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Die hier abgebildete 1740 Long Land Pattern, verfügt schon nicht mehr über die Schnitzereien um das Schloss. Diese sog. „Aprons“ verschwanden immer mehr und mehr – sicher auch eine Kostenersparnis.

Ab 1742 wurden gleich mehrere Änderungen an den neuen Long Land Pattern Musketen vorgenommen. So begann man nach und nach die Holzladestöcke gegen solche aus Eisen zu tauschen. Ebenso wurde ein neuer, verstärkter Abzugsbügel eingebaut und ab 1748 wurden die vorderen „nose caps“ nicht mehr aus Blech hergestellt, sondern sie wurden gegossen.

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Re: The Musket Question

Beitragvon Ike Godsey » Do 4. Dez 2014, 08:24

TEIL 2

Anmerkung des Verfassers:
Es wurde natürlich versucht, die jeweils aktuellen Neuerungen auch an den bereits im Dienst stehenden Musketen anzubringen, was aber natürlich nicht immer gelang. Aus diesem Grunde finden sich heute in den Sammlungen so viele unterschiedliche Varianten der Long Land Pattern. Dabei ist der Werdegang eigentlich ganz einfach, wenn man dieser Liste folgt:

1728 Umstellung von Queen Anne zur Long Land Pattern Bess
1730 Messing Beschläge fanden das erste Mal an der Long Land Pattern Bess Verwendung
1736 Eisen Beschläge an Dublin Castle Bess eingestellt
1737 Metallbänder zum stabilisieren des Vorderschafts wurden an der Bess angebracht
1742 Neuer, verstärkter Abzugsbügel und die äußere Bridle am Schloss wurden eingeführt
1748 Gegossene Nose Caps wurden eingeführt
1755 Schlossform wechselt auf gerade, Metall-Ladestöcke werden "standard equipment", Einführung der „dünneren“ Ladestockpfeifen mit Trichter (oben)
1769 SLP Bess, wurde aus den Dragoon Carbine erstellt und angenommen. Diese verfügten über das 1755 Schloss, kurzer Schaftkappe, runde Seitenplatte, Stahlladestab und Riemenbügel. Einige Hersteller produzieren immer noch die LLP Bess.
1775 Flache Seitenenplatte bei SLP Bess eingeführt
1777 Kleineres, geraderes Schloss bei SLP Bess eingeführt
1779 Extra Ladestockpfeife, „Pratt thimble“ (2. Von oben mit kleinem Trichter), bei SLP Bess eingeführt
1790 Die letzen LLP Bess werden produziert.

Das Konvertieren der Musketen auf den stahl Ladestock wurde so gemacht, dass man in die oberste Ladestockpfeife einen Einsatz einlötete und an der unteren ein kleine Feder einbaute. Beides sollte den dünneren Ladestock fest in Position halten, ohne zu „rattern“. Hier ein Beispiel:

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Die P1748:

Dies ist eine der seltensten Varianten der Long Land Pattern. Die Nose Cap war nun aus Messing gegossen, die Aprons ums Schloss sind bei einigen nicht mehr zu sehen, andere tragen diese noch, bei wenigen wurden sie weg geschliffen. Der Ladestock ist aus Stahl, und mal mit konvertierten Pfeifen, mal mit bereits dünneren Pfeifen befestigt. Insgesamt wurden etwas weniger als 5000 Stück der P 1748 gefertigt.

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Bis hier her ist es belegt, dass diese Ausführungen der Long Land Pattern Musketen in Nordamerika im French – Indian War 1754 – 1763 zu finden waren.

Anmerkung des Verfassers:
Der letzte Typ der Long Land Pattern fand wenn überhaupt nur in den letzten Tagen Verwendung im French & Indian War, sei aber hier der Vollständigkeit halber aufgeführt.

Der letzte Typ der Long Land Pattern war die sog. Pattern 1756. Mit dieser Muskete sind gleich mehrere Neuerungen eingeführt worden:

1) Der Metall-Ladestock wurde Standard.
2) Die erste Ladestockpfeife wurde länger und bekam an ihrer oberen Öffnung einen kleinen Trichter, was das Einführen des Ladestocks erleichtern sollte.
3) Das Schloss wechselte die Form und hatte jetzt eine gerade Unterkante.
4) Aufgrund des Metallladestocks konnte der Schaft entlang des Laufes schlanker gestaltet werden.
5) Mit der P1756 gab es keine Aprons mehr ums Schloss und
6) Die „Schwellung“ am Schaft, nahm deutlich ab.

Die P 1756:

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Hier das Schloss im Detail:

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Bis hier her war nun die Entwicklung der Long Land Pattern Musket oder „Kings Musket“ wie man auch sagen kann. Doch nicht alles was hier aufgeführt wurde, wurde auch in Nordamerika benutzt!

Man war bestrebt die jeweils neuesten Musketen auf dem Kontinent zu belassen, um die Konflikte dort austragen zu können und somit immer das Neueste zur Verfügung haben um die Verteidigung des Mutterlandes England zu sichern. Dies ging so weit, dass britische Truppen, die ja vornehmlich in Nordirland und Schottland stationiert waren, wenn sie nach den Kolonien verlegt wurden, wurden ihre Waffen eingezogen und sie erhielten andere Musketen, älteren Typs meist wieder am Bestimmungsort.

Natürlich gab es auch Ausnahmen. James Oglethorpe, gründete die Kolonie Georgia. Dies war ein Puffer zwischen den bereits bestehenden britischen Kolonien und den spanisch regierten Gebieten. Oglethorpe und 114 schottische Siedler gründeten Savannah in 1733.


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Born on December 22, 1696, in London, England, James E. Oglethorpe went on to be elected to his country’s parliament in 1722, serving for more than three decades. He pushed for penal reform and an end to slavery and impressment. He travelled to America in 1733 and founded Savannah, the colony that would become Georgia. Returning to England in the mid-1740s, he died on June 30, 1785.

Oglethorpe, welcher ein persönlicher Freund des König Georg II. war wurde zum Colonel befördert und ihm wurde der Auftrag erteilt die Georgia Colonial Company of Rangers zu formieren. Das setzte er in die Tat um. Diese Georgia Colonial Companie of Rangers bestand natürlich ebenfalls aus Schotten. Aufgrund Oglethorpes Beziehungen zu King Georg II. erhielt er direkt vom Tower of London nagelneue Long Land Pattern Muskets des Typs 1730. (Heute wird angenommen, dass dies die ersten Long Land Pattern Muskets in Nordamerika waren.)

Die Gründung der britischen Kolonie Georgia im Jahre 1733 hatte den Briten zur Erreichung unterschiedlicher Ziele gedient. Neben kaufmännischen (Anpflanzung von Maulbeerbäumen und Produktion von Seide, Flachs und Hanf) und philanthropischen Argumenten (Ansiedlung von entlassenen Strafgefangenen aus britischen Schuldgefängnissen und in Europa verfolgten Protestanten) ging es dabei vor allem um den Schutz der ökonomisch wertvollen britischen Kolonie South Carolina gegen die Spanier in Florida und die Franzosen in Louisiana. Nachdem die Spanier bereits 1735 einen Überraschungsangriff gegen Savannah ausgeführt hatten, begann James Edward Oglethorpe, der zu dieser Zeit in Georgia die Machtbefugnisse eines Gouverneurs ausübte, mit dem planmäßigen Ausbau einer Verteidigungslinie und der Aushebung von Truppen zum Schutze der jungen Kolonie. Nachdem die westliche Flanke durch Verträge mit dort ansässigen Indianerstämmen gesichert war, konnte Oglethorpe nach Ausbruch des britisch-spanischen Krieges zu einer aggressiven Politik gegen Florida übergehen. Am 1. Januar 1740 begannen die Briten mit ihrem Angriff auf Florida, trotz großen Aufwands an Truppen und Material scheiterte die am 31. Mai 1740 begonnene Belagerung des spanischen St. Augustine jedoch, als die Spanier Anfang Juli Verstärkung aus Havanna erhielten. Damit endete das britische Unternehmen genauso erfolglos, wie ein zwei Jahre später vorgetragener Gegenangriff der Spanier auf Georgia (Juli 1742).

Augenzeugen berichteten, Teile von Oglethorpes Rangers griffen an, „in full scottish habitat“ mit Targe, Dirk, Baskethilt-Broadsword, Pistole und Muskete, natürlich in einem belted Plaid gekleidet.

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Doch wie gesagt, die Bewaffnung Oglethorpes Truppe mit neuen Musketen war eine Ausnahme. Andere Beispiele des Einsatzes älterer Musketen gibt es genügend. So wurde in 1757 in den schottischen Highlands das 71st Regiment of Foot für den Dienst in Nordamerika rekrutiert. Dieses Regiment wurde dann zum 78th Regiment of Foot. Viele von euch werden den Begriff „Fraser Highlanders“ besser kennen. Nun, 1757 war ein Jahr nach der offiziellen Annahme des neuen Musketen Typs der P 1756. Die Aufregung war entsprechend groß, als die Musketen bei den Fraser Highlanders eintrafen. Es waren alte Musketen, wahrscheinlich vom Typ 1742 mit hölzernem Ladestab.
Diese Musketen nahmen sie mit an Bord, als es in Cork zum Einschiffen in die neue Welt ging. Nur, um diese dann dort wieder abzugeben. Die Long Land Pattern wurden an britische Linien Regimenter wieder ausgegeben. Als Ersatz erhielten die Frasers, den Typ P 1744 Artillery Carbine. Eine leichtere Version der P 1742er Long Land Pattern, mit 42“ Lauf und im Kal. .66.

Jetzt taucht die Frage auf, ob denn überhaupt Musketen mit Stahlladestab in Nordamerika Verwendung fanden. Die Antwort darauf ist ein klares JA!
Man muss aber auch verstehen, warum es so lange dauerte bis diese „steel rammers“ aufkamen. Ladestöcke können nicht aus Eisen sein. Eisen ist einfach zu weich. Erst um 1740 kam man drauf, wie man sog. „Cast Steel“ kostengünstig so herstellt, dass sich das für steel rammers rechnet. Überall wo britische Soldaten eingesetzt waren wurden Musketen nach und nach von Holz auf Stahl umgerüstet, was den Ladestock betraf. Dazu wurde die oberste Ladestockpfeife mittels eines eingelöteten Stück Messingrohr verjüngt und die unterste Pfeife erhielt eine kleine Feder.
Vom 42nd Regiment of Foot – den legendären „Black Watch“ – ist überliefert, dass sie in 1759 während der Dienstzeit in Nordamerika, ihre Long Land Pattern von 46“ Läufen auf 42“ kürzten. Grund dafür waren die dünn gewordenen und beschädigten Mündungen der Musketen, was wohl auf den Gebrauch der steel rammer zurückgeht.
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Re: The Musket Question

Beitragvon Ike Godsey » Do 4. Dez 2014, 08:26

Teil 3

Commercial oder Contract Muskets

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Commercial Muskets sind Musketen, gebaut nach britischem Muster. Sie verfügten „…über ein gutes Schloss und Lauf“ hatten aber, um den Preis niedrig halten zu können, meist eine „leichtere“ Beschlagware. Die Messingteile sind i.d.R. nicht von der Ausführung der „Kings Muskets“, sie waren ebenfalls i.d.R. mit einem etwas „schlechteren“ oder „billigerem“ Schaftholz ausgestattet. Einer der bekanntesten Hersteller solche „Commercials“ war der Londoner Waffenbauer Richard Wilson.

Solche Musketen wurden auch in die Kolonien geliefert, so hatte die Stadt New York mind. 1000 Stück dieser Gewehre gekauft, ebenso wurden solche Waffen an die Kolonien New York, New Jersey und Massachusetts geliefert.

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Commercial Musket die an die Kolonie New Jersey geliefert wurde, siehe Gravur der Kolbenplatte.

Als der britische General James Abercromby (auch Abercrombie) am 08. Juli 1758 den Angriff auf Fort Ticonderoga (Fort Carillon) durchführte, hatte er nicht genügend Musketen für seine 15.000 Soldaten zur Verfügung. Er zog kurzerhand die 1000 Commercial Musketen der Stadt New York heran um seine Soldaten zu bewaffnen.

Die französischen Musketen in britischen Diensten

Englands Bedarf an Musketen war sehr groß. Die eigene Fertigung konnte dem „Verbrauch“ an Musketen nicht ausgleichen. Man darf ja nicht vergessen, dass zeitgleich zum French & Indian War auf dem Kontinent der Siebenjährige Krieg tobte, in welchem England eine nicht unerhebliche Stellung einnahm. Hinzu kommen die vielen Einsätze in den anderen Kolonien Englands rund um die Welt. Überall wurden Waffen gebraucht. Was lag also näher, als die Waffen zu benutzen, die der Feind bezahlt hatte?

Anmerkung des Verfassers:
Hier geht es um sog. „Battlefield pick ups“ also um Waffen die man auf einem Schlachtfeld einsammelte. Ich würde hier gerne mit einer der viel genutzten „Erklärung“ vielen Hobbyisten aufräumen, die angeben, ihre Bess oder sonstige Muskete nach diesem oder jenem Gefecht vom Schlachtfeld mitgenommen zu haben. Das war damals ganz klarer Diebstahl und wurde auf beiden Seiten mit dem Tod bestraft! Alles was nach einer Schlacht auf dem Schlachtfeld zu finden war, gehörte dem jeweiligen (siegreichen) König! Es bedurfte selbst bei den evtl. eingesetzten Indianern einer expliziten Erlaubnis des kommandierenden Offiziers, damit sich die Navties bedienen konnten. Alles andere war strengstens untersagt!

Wenn es also um die Waffen des Feindes geht, so soll es hier hauptsächlich um die der Franzosen gehen, dem „Hauptfeind“ der Briten in Nordamerika.

Die Franzosen hatten ein etwas anderes System ihre Truppen zu bewaffnen als das bei den Briten der Fall war. In Frankreich unterschied man generell zwischen der Armee und der Marine. Schon im 17. Jahrhundert kamen Feuerwaffen für die Armee aus St. Etienne und die für die Marine aus den TULLE Manufakturen.
Dies änderte sich erst (jetzt zeitlich stark gerafft) als das Musketen Modell von 1728 offiziell eingeführt wurde. Eine im Vergleich zu den vorherigen Armee Musketen leichtere, schlankere Waffe,

die zwar von der Qualität her nicht ganz das Level der britischen Long Land Pattern erreichte, aber dennoch eine interessante Neuerung aufwies: Ihr Lauf wurde mittels Metallbändern im Schaft gehalten, nicht wie vorher (und noch lange bei den Briten üblich) durch kleine Metallstifte.

Die französische 1728:

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Eckdaten: Ca. 63“ Gesamtlänge, 46“ Lauflänge, Kaliber zwischen .69 - .72

Natürlich hat auch die 1728er eine gewisse Evolution durchlaufen. So wurde sie ebenfalls zuerst mit einem hölzernen Ladestock hergestellt. Dieser wurde 1741 dann durch einen steel rammer ersetzt. Historiker glauben nach heutigem Stand, dass eine 1728er Muskete mit hölzernem Ladestock nicht nach Nordamerika geschickt wurde.

Nun, die 1728er wurde in solchen Menge von den Briten „erobert“, dass sie sogar als offizielle Waffe der britischen Streitkräfte gelistet war. Eine Order bestand, wonach die amerikanischen Einheiten in britischen Diensten, sowie einige Light Infanterie Regimenter mit diesen Musketen bewaffnet wurden. Darunter auch amerikanische Ranger Einheiten u. a. auch die Rogers Rangers. Diese Praktik bestätigt sich im gesamten Verhalten der Briten, die die amerikanischen Einheiten immer als „Zweitklassig“ betrachteten.

Es ist bekannt, dass auf Rogers Island abgeschnittene Musketen-Mündungen gefunden wurden. Alle in einer Länge zwischen 8 und 11 Inch und einem Kaliber kleiner als das britische .75 Nominalkaliber der Kings Muskets. Historiker gehen heute davon aus, dass die Rangers des Major Rogers die nachweislich an sie ausgegebenen 1728er französischen Musketen, mit Erlaubnis des Oberkommandos zurück schnitten.


Gab es keine anderen französischen Musketen vor der 1728?

Doch, die gab es. Ein beliebtes Beispiel ist die französische 1717. Ein sehr ansprechendes Musketen Modell und in der Reenactor Szene hier in Deutschland und Europa sehr beliebtes Modell. Das Erscheinungsbild der 1717 ist mit ihrer vertikalen Bridle von Batterie zur Batteriefeder auffallend.
Es ist auch belegt, dass die 1717 von Frankreich aus als Hilfslieferung exportiert wurde – nur nicht nach Nordamerika! Die 1717 fand ihren Einsatz auf den Europäischen Kriegsschauplätzen wie z.B. dem Jacobiten Aufstand des Prinzen Charles Edward Stuart in den schottischen Highlands 1745/46. Sie wurde auch in Europa im Siebenjährigen Krieg verwendet.

In Nordamerika tat in Louisiana in den 1720er Jahren ein 150 Mann starkes Regiment französischer Soldaten des Schweizer Oberst Karrer seinen Dienst. Es ist relativ wenig über dieses Regiment bekannt, dennoch könnte dieses Regiment mit der 1717er Muskete ausgerüstet gewesen sein. Vielleicht – es fehlt dazu jedoch jeglicher Nachweis.

Heute findet man in den USA eine 1717 Muskete die in Nordamerika neu geschäftet wurde. Ebenso findet sich eine weitere Muskete ohne Schloss. Ein 1717er Steinschloss passt dort saugend und schmatzend hinein. Auch ist auf einem Schlachtfeld ein 1717er Schloss gefunden worden. Das Problem an der Sache ist aber, dass alle drei Funde von 1717er Musketen aus Schauplätzen der US Revolution kommen, also für den French & Indian War viel zu spät sind.

Französische 1717:

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Hier noch mal das Schloss mit seiner vertikalen Bridle:

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In der US Revolution wurden ab 1778 die französischen Waffenlager leer geräumt und nach Nordamerika verschifft – darunter auch einige 1717er.


TULLE – die berühmte Waffe der French Mariens.

Von einer Fusil de Chasse oder Fusil de Grenadier etc. etc. etc. gab es in Neu Frankreich natürlich sehr viele. Die Tulle war schon Ende des 17. Jahrhunderts das Rückgrat der French Marines.

Dies änderte sich jedoch mit der Einführung der Muskete 1728/41. Es begann eine Standardisierung der Waffen innerhalb aller französischen Streitkräfte. So dass die Tulle Musketen zwar immer noch vorhanden waren, jedoch immer weniger dieser Waffen nachkamen und von der 1728 ersetzt wurden.

Ich habe leider nur ein paar eher bescheidene Fotos einer 1690er Tulle, aufgenommen im Museum in Paris. (Fotos von Eric Bizet)

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TVLLE 1690 – Schloss.

Modell 1716 Tulle de Chasse:

Für die French Mariens und für die Indianischen Verbündeten die Jagdwaffe. Schlank, leicht, kleinkalibrig (im Vergleich zur Kings Musket) wurden Tulles in div. Ausführungen nach Canada geliefert.
Die Musketen des Typ TULLE (meist TVLLE geschrieben) waren sehr beliebt, auch in den britischen Kolonien und speziell bei Ranger Einheiten.

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Französische Muskete Modell 1754

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Auch das Modell 1754 der Franzosen kam für den French & Indian War zu spät. Die letzten Truppen die von Frankreich nach Canada geschickt wurden (1759), waren mit dem Modell 1728/46 ausgestattet. Sie sollten zwar mit den 1754er Musketen ausgerüstet werden, doch diese kamen erst wenige Tage nach de Ablegen des Schiffes an.
Es gab weitere französische Truppen die in den Jahren 1760/61 nach Nordamerika geschickt wurden, das war aber Louisiana. Über deren Bewaffnung ist bisher nichts weiter bekannt.

Im Canadian War Museum wird eine französische 1754er Muskete gezeigt, die angeblich auf den Abrahams Fields eingesetzt gewesen sein soll. Es gibt jedoch keinen einzigen Nachweis, dass vor den 1760er Jahren Musketen des Typs 1754 nach Nordamerika gelangten.

Preußen und die 1740er Potsdam Muskete:

Die preußische Potsdam Muskete, obwohl sie bereits viele Verbesserungen besaß, die bei britischen Musketen erst viel später Einzug hielten (steel rammer, 42“ Lauf) war sie NICHT im French & Indian War zu finden, jedoch in der Amerikanischen Revolution! Dort wurde sie von den „Hessians“ mitgebracht. Preußen und seine befreundeten Staaten hatten selbst zu wenige Waffen als das man sie an andere Länder verkaufen hätte können, zumal man in der Zeit der FIW selbst im Siebenjährigen Krieg in Europa stand. (Danke an Andreas Bräunling für die Recherche)

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Re: The Musket Question

Beitragvon Ike Godsey » Do 4. Dez 2014, 08:27

Dies nun als kurzer Überblick was man im FIW als Muskete haben kann und was nicht. Ich hoffe es ist klar geworden, dass man nicht einfach eine Muskete nehmen kann, nur weil das Modell eine Jahreszahl aufweist, die lange vor Beginn des FIW liegt. Man muss schon darauf achten, was man damals in den Kolonien auch bekommen konnte und vor allem was nicht.

Das komplette Feld britischer Feuerwaffen aufzulisten, würde den Rahmen hier sprengen. Schon alleine weil nicht alle britischen Einheiten mit einer Brown Bess bewaffnet waren. Es gab eine Vielzahl sogenannter „Carbines“, Offiziell der 1744 Cavalry Carbine, sowie div. Artillery Modell etc. Erschwerend kommt aber hinzu, dass damals in den offiziellen Liste des „british Ordnance Board“ der Begriff „Carbine“ für eine Vielzahl unterschiedlicher Waffen benutzt wurde.
So sind Waffen im Cal. .75, aber mit 42“ Läufen als Carbine bezeichnet, ebenso aber auch solche mit 37“ Läufen und kleinerem Kaliber .66. Hinzu kommen Carbines, die einer Long Land Pattern gleich kamen in Ausführung und aussehen, aber nur ca. 9/10 der Größe einer normalen LLP und ein Kaliber um .70 hatten. Dies als „Officers Fussils“, später dann „Sergants Muskets“ genannten Waffen.

Zu allen hier aufgeführten „Standartwaffen“ kommen natürlich noch etliche Ausführungen von Schnapphahn und Miquelett-Schloss Waffen hinzu, ebenso viele sehr hochwertig gefertigte „Officers Fusils“, Importe aus anderen Ländern wie Holland und Spanien etc.

Natürlich handelt es sich hier um Originale (wenn auch Fotos oft von Repliken sind) und mir ist bewusst, dass es für uns als Reenactors nicht immer leicht ist, die für seine darzustellende Person, die richtige Muskete zu bekommen. Repliken dieser Musketen gibt es Dank der Replika Industrie heutzutage sehr viele. Bemerkenswert sind dir Produkte aus Indien. OHA! Ich höre schon jetzt die Proteste was indische Musketen betrifft – aber, die sind gar nicht sooo schlecht.

Was heißt das für uns Reenactors?

Nun, eine Muskete die man als Reenactor führt muss nicht nur zeitlich passen, was die Pedersoli Brown Bess schon mal aus dem Rennen schmeisst.

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Die Pedersoli Bess ist bestenfalls eine Kopie einer Short land Pattern aus 1777 – und das nur mit Abstrichen und mit ganz viel Augenzudrücken…. Aber für denjenigen den es interessiert, hier ist eine Liste dessen was an der Pedersoli Bess nicht passt:

- the frizzen spring finial.
- the shape of the frizzen.
- the shape of the engraved curl on the cock.
- the shape of the frizzen pan.
- the shape of the wood around the lock.
- the shape of the beaver tail around the tang.
- the form of the balluster turns.
- the screw holding the trigger guard.
- the shape of the comb of the stock.
- the shape of the buttplate.
- the top of the buttplate does not appear to be pinned.
- the very pronounced details on the ramrod pipes.
- the overly large bayonet lug.

Zudem ist die Pedersoli Bess eine mehr oder weniger gute Kopie einer Ausführung der Short Land Pattern, die nachweislich überhaupt nicht in Nordamerika ihren Einsatz fand, sondern in einem der vielen anderen Kriegsschauplätze Groß Britanniens.

Ebenso JEDE Brown Bess, die über einen Lauf verfügt, der Kürzer ist als .42“ und ein Schloss das nicht bananenförmig ist, und/oder die nur 3 Ladestockpfeifen hat:

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Eine Bess wie diese im Bild ist für das 18. Jahrhundert ein NO GO!

Ebenfalls aus dem Rennen ist die Pedersoli Trade Gun! Die Architektur der Waffe, ebenso wie die Konstruktion ist trifft alles Mögliche, aber leider keine Trade Gun!

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Natürlich gab es eine Vielzahl von Musketen die hier nicht erfasst sind. Spanien, Holland, Belgien, Portugal etc. etc. etc. trieben Handel mit Neu England und Britannien – auch mit alten, obsoleten Waffen.
Weitere Quellen sind aufgebrachte Schiffe die gekapert oder sonst wie in die Häfen der Neuen Welt kamen und deren Ladung dann dort verkauft wurden. Solche Verkäufe sind nachzuweisen, da diese zum einen über Aushänge und Zeitungsanzeigen bekannt gemacht wurden und andererseits für die Umsätze im Hafen ja Zölle und Steuern, also Abgabe zu zahlen waren. Darüber gibt es heute noch einsehbare Listen.

Nochmal, natürlich erhebt diese Auflistung hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit – wie sollte sie auch? So wurden und werden heute immer noch britische Musketen gefunden, die nicht die bisherigen Auflistungen der Historiker passen. Es ist auch nicht verwunderlich. Schließlich sind in der ganzen Dienstzeit der Kings Musket etliche Änderungen, Konvertierungen und Verbesserungen eingeführt worden, die nachträglich auch an die bereits im Dienst stehenden Musketen durchgeführt wurden.
Leider wurden aber nicht bei jeder Muskete alle diese Neuerungen durchgeführt, so dass es heute eine Vielzahl von unterschiedlichen Ausführungen gibt – wenn auch di Grundparameter wie Schlossform Lauflänge, Beschläge schon in die Zeit der entsprechenden Darstellung passen müssen.

Ich hoffe ihr seid jetzt ebenso verwirrt wie ich ;-)
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Ike Godsey
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Re: The Musket Question

Beitragvon trommlerjunge » Fr 5. Dez 2014, 13:43

sehr interressanter und aufaschlussreich detaillierter bericht Ike,vielen dank
trommlerjunge
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